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Mit Wirkung vom 01.11.2018 trat die in den §§ 606 ff. ZPO geregelte Musterfeststellungsklage (MFK) in Kraft. Auslöser zur Einrichtung einer solchen Klagemöglichkeit war die hohe Anzahl an Geschädigten im Zuge des VW-Abgasskandals. Mit dieser Klage sollen die Rechte des einzelnen Verbrauchers gegenüber großen Firmen und Konzernen gestärkt werden. Denn oftmals schrecken Betroffene davor zurück, ihre Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Sei es aufgrund von Geringwertigkeit des Schadens oder aus Angst vor Prozessrisiken. Teilweise wird eine außergerichtliche Geltendmachung angestrebt. Diese bleibt jedoch in vielen Fällen erfolglos. Die Konzerne, die über erhebliche finanzielle Ressourcen verfügen, gehen das Risiko ein und kommen trotz vieler Verstöße ungeschoren davon.
Genau hier kommt die neue Musterfeststellungsklage ins Spiel. Verbraucher, also natürliche Personen, die beim Anspruchserwerb oder der Begründung des Rechtsverhältnisses überwiegend privat handeln (§ 29c Abs. 2 ZPO) – also nicht im Rahmen ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit – können sich in das Klageregister am zuständigen Oberlandesgericht für eine MFK eintragen.
Abbildung 1 Musterfeststellungsklage; Quelle: in Anlehnung an Grafik Verbraucherzentrale Bundesverband "Eine für Alle - Die Musterfeststellungsklage"[1]
Klagebefugnis
Klagebefugt im Sinne des neuen § 606 ZPO sind sog. qualifizierte Einrichtungen. Das sind rechtsfähige Vereine, die die Interessen der Verbraucher wahrnehmen und dabei nicht gewerblich handeln. Sie müssen als Mitglieder aus mindestens zehn Verbänden des gleichen Aufgabenbereichs tätig sein oder aus mindestens 350 natürlichen Personen bestehen. Die von den Verbänden erhobenen MFK dürfen nicht der Gewinnerzielung dienen und die Verbände dürfen nicht mehr als 5% ihrer finanziellen Mittel durch Fremdzuwendungen beziehen. Letzteres soll die unerlaubte Einflussnahme von Konkurrenten verhindern.
Auswirkungen auf den Verbraucher
Betroffene, wie beispielsweise hunderttausende Autokäufer, tragen sich ohne finanziellen Aufwand und ohne Anwaltszwang in das Klageregister ein. Die Verjährung der Schadenersatzansprüche, nämlich drei Jahre nach Bekanntwerden, wird damit gehemmt. Durch die Eintragung entsteht keinerlei Prozessrisiko für den Verbraucher. Bei einem Obsiegen im Musterfeststellungsverfahren kann bzw. muss der Verbraucher dann individuell klagen, um seinen Anspruch auf Schadensersatz durchsetzen zu können. Im Falle eines Vergleichs zwischen dem Verband und dem/r Beklagten stehen dem Verbraucher zwei verschiedene Optionen zur Verfügung: Entweder er akzeptiert den erstrittenen Vergleich oder er geht individuell, und damit allerdings prozessrisikobehaftet, gegen die/den Beklagte/n vor.
Eine Vollstreckung aus dem Musterfeststellungsurteil ist jedoch nur für die klagenden Verbände möglich. Der Klageweg bleibt den Geschädigten letztlich nicht erspart.
Fazit
Grundsätzlich stellt die MFK zunächst fest, ob ein Schadenersatzanspruch des Betroffenen besteht. Zur Bestimmung der Schadenhöhe und zur Durchsetzung des Anspruchs muss dann erneut geklagt werden. Ein Nachteil ist, dass vom Zeitpunkt der Eintragung bis zur endgültigen Zahlung des Schadensersatzes viel Zeit vergehen kann. Im Gegenzug haben die Kläger allerdings eine große Chance den Prozess zu gewinnen, ohne ein entsprechendes Risiko tragen zu müssen.
Sammelklagen wie in den USA, die den Klägern einen unmittelbaren Anspruch gewähren, gibt es in Deutschland vorerst nicht. Die MFK ist aber eine Alternative mit guten Chancen, bei der die Kläger im Endeffekt nichts zu verlieren haben.
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