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Die Flucht ins Versäumnisverfahren: eine bei Rechtsanwälten bekannte Taktik, die dazu dient, einen Prozess hinauszögern zu können und wertvolle Zeit zu gewinnen. Doch was genau ist das sogenannte Versäumnisverfahren eigentlich? Das Versäumnisverfahren erfordert zunächst ein sogenanntes Versäumnisurteil, also eine Entscheidung des Gerichts, die gegen eine Partei gerichtet ist, welche im Prozess säumig ist.
Säumnis
Säumnis einer Partei liegt vor, wenn sie trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erscheint, nicht verhandelt oder sich im Anwaltsprozess nicht vertreten lässt. Außerdem liegt Säumnis vor, wenn eine Partei nach ordnungsgemäßem Aufruf der Sache am angekündigten Termin bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung (§ 220 ZPO) zwar erscheint, aber nicht verhandelt (§ 333 ZPO). Hinsichtlich der Säumnis gibt es Unterschiede zwischen einem Parteiprozess und einem Anwaltsprozess. Im Falle eines Parteiprozesses, also eines Verfahrens, das von den Parteien selbst geführt werden kann, sofern sie prozessfähig sind, liegt Säumnis vor, wenn die Partei selbst oder der Rechtsanwalt nicht erscheint oder verhandelt. Erscheint ein bevollmächtigter Anwalt in einem Anwaltsprozess, in dem also die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich ist, nicht zur mündlichen Verhandlung, so liegt ebenfalls eine Säumnis vor.
Versäumnisurteil
Liegen die Voraussetzungen (§§ 330 ff. ZPO) vor, so ergeht ein erstes Versäumnisurteil. Dazu muss ein Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils (§ 331 I 1 ZPO) und eine Säumnis gegeben sein. Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen einer Klage müssen ebenfalls bestehen, da es sich bei einem Versäumnisurteil um ein Sachurteil handelt. Im Übrigen müssen aber auch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Anspruchs erfüllt sein, denn die Klage muss darüber hinaus schlüssig sein (§ 331 ZPO).
Rechtsbehelf
Ergeht nun ein Versäumnisurteil, kann sich derjenige, gegen den das Urteil gerichtet ist, mit Hilfe eines Einspruchs gegen das Versäumnisurteil zur Wehr setzen (§ 338 ZPO). Erfolgt kein Einspruch, so wird das Versäumnisurteil rechtskräftig (§ 514 ZPO).
Zweites Versäumnisurteil
Legt eine Partei einen Einspruch gegen ein Versäumnisurteil ein und ist erneut säumig, kann nach einem Antrag der Einspruch verworfen werden (§ 345 ZPO) und es ergeht ein zweites Versäumnisurteil, gegen welches kein Einspruch eingelegt werden kann. Das letztmögliche Mittel, um sich gegen ein zweites Versäumnisurteil zu wehren, wäre im Falle einer nicht schuldhaften Säumnis eine Berufung (§§ 514 II ZPO).
Flucht in die Säumnis
In der Praxis kann es oftmals vorkommen, dass eine Partei Verteidigungs- bzw. Angriffsmittel erst verspätet anzeigt und in Folge dessen damit zu rechnen hat, dass eine Zurückweisung erfolgen kann. Ein im Rahmen der Zivilprozessordnung erlaubtes Vorgehen ist in einem solchen Fall eine „Flucht in die Säumnis“. Hierbei werden mögliche Mittel gar nicht erst angezeigt und ein Versäumnisurteil wird hingenommen. Anschließend wird mit Hilfe des Einspruchs gegen das Versäumnisurteil das Verfahren in den Stand vor der Säumnis zurückgeworfen und ein Vorbringen der Angriffs- bzw. Verteidigungsmittel ist nun wieder möglich. Bereits verspätet vorgebrachte Mittel bleiben jedoch verspätet und können im Einspruchsverfahren nicht berücksichtigt werden. Die Partei, die die Flucht in die Säumnis wagt, hat dadurch zusätzliche Zeit gewonnen und entgeht dem Risiko der Zurückweisung.
Kostenfaktor
Ein wichtiger Faktor, der trotz der vorteilhaften taktischen Möglichkeiten einer „Flucht in die Säumnis“ nicht vergessen werden darf, betrifft die Kosten. Gemäß § 344 ZPO trägt die säumige Partei die Kosten, die durch die Säumnis entstanden sind, selbst dann, wenn das Urteil nach dem Einspruch zugunsten der zuvor säumigen Partei ausfällt.
Insgesamt bleibt also festzuhalten, dass das Versäumnisverfahren viele Vorteile bietet. Zugunsten des Antragstellers wird unter Umständen ein schnellerer Abschluss des Verfahrens erreicht und der Partei, die absichtlich eine Säumnis in Kauf nimmt, wird es ermöglicht, im Rahmen des Einspruchs Verteidigungsmittel vorzubringen, die ansonsten als verspätet zurückgewiesen werden würden. Trotz der dann auferlegten Kosten ist es ein taktisches Mittel, das einen Zivilprozess enorm beeinflussen kann.
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